In meinem Zimmer steht ein Videorecorder. Kein Blu Ray-Player, kein DVD-Recorder sondern ein VHS-Videorecorder. Leicht bis mittelschwer angestaubt, steht er da so im Regal rum. Still, leise und kein Ton (geschweige denn Bild) von sich gebend. Noch nicht mal die sonst so coole Digitaluhr blinkt. Was daran liegen könnte, dass der VHS-Videorecorder nicht am Stromnetz angeschlossen ist. Warum auch, wenn er im Regal und nicht neben dem Fernseher steht? Würde so ja gar keinen Sinn machen!
Nachschub in Form von VHS-Kassetten, die der VHS-Videorecorder dankbar über seine große Klappe gierig verschluckte, gibt es auch nicht mehr… Moment! Eine einzige VHS-Kassette gibt es doch noch. Damals, von der Abschlussklassenfahrt 19hundertIrgendwas. Die fliegt in einem der zig Umzugskartons auf dem Speicher rum. Aber ich weiß ganz genau, dass es sie gibt. Und wenn sie mir zufällig in die Hände fällt, dann werde ich den VHS-Videorecorder via Scart an meinen Röhrenfernseher anschließen und mich wundern, warum ich auf dem VHS-Video noch so unglaublich jung und frisch aussehe.
VHS. Ein co-geniales Wort, dass in den 80ern und bis Mitte der 90er in aller Munde war und in diesem Beitrag für meinen Geschmack viel zu selten genutzt wird. Wie stolz man seinen Kumpels die liebevoll sortierten VHS-Kassetten im Schrank zeigte. Von diversen Serien, über Godzilla/Horror/Action-Filme bis hin zu RTL-Nacht-Sendungen, die irgendetwas mit Früchtchen zu tun hatten, war alles dabei.
Diese Vielzahl an unterschiedlichen VHS-Kassetten von Sony oder BASF (Chromedioxid beschichtet mit einer Laufzeit von maximal 240 Minuten. Längere Laufzeiten hätten zu einen Bandriss geführt – hieß es zumindest). Wie sie noch was her machten und selbst eine kleine Sammlung riesig aussah. Platzprobleme? Kannten wir nicht! Zumindest waren wir kreativ genug, um sie elegant zu umgehen. Weil sie etwas aushalten konnten. Nicht wie heute diese DVD- und Blu Ray Sparbüchsen bei denen man Angst hat etwas zu zerdrücken, wenn man sie allzu euphorisch in die Hand nimmt.
Diese VHS-Boxen, die einen spüren lassen haben, dass sich darin ein echtes Schwergewicht der Filmgeschichte befindet. Nichts glitzerndes das vom eigentlichen Inhalt, dem Film, ablenkt.
Als man das Zurückspulen als Vorprogramm ansah, um die Spannung auf den Film zu erhöhen… oder genervt dem Rückspulsound des VHS-Recorders lauschte und betete, dass das Band bei dieser unglaublichen Spul-Geschwindigkeit bitte bloß nicht reißt.
Wie man in der Videothek bei Abgabe eines VHS-Leihvideos stand und sich fragte: „Hab ich jetzt die VHS-Kassette zurück gespult oder muss ich eine Mark ‚Rückspulgebühr‘ drauf zahlen?“
Ja: das waren Zeiten! Viel haben wir gesehen – mein VHS-Videorecorder und ich. Viel Blödsinn, noch mehr Langeweile, selten Ärger, einige Überraschungen und echte Blockbuster.
Du warst nie das absolute Highend-Gerät von Sony, Panasonic & Co gewesen. Und trotzdem warst du immer zuverlässig und hast mich nie im Stich gelassen. Deine Aufnahmen waren nur manchmal etwas grobkörnig und Soundaussetzer waren noch seltener. Ob es wohl an den Reinigungs-VHS-Kassetten lag, die ich dir 1x im Monat verordnet hatte?
Jetzt, wo du deine Arbeit seit Jahren verrichtet hast, sei dir der Seniorenaufenthalt in meinem Regal gegönnt. Abstauben werde ich dich. Keine Sorge!… unregelmäßig.
Beschützt wirst du von einer kleinen Reisetasche und einem Keyboard, dass sich seit Jahren in seinem Karton gefindet.
Irgendwann wirst du noch mal deinen großen Auftritt haben. Mit oldschool blickender LCD-Anzeige, dem highend Geräusch beim Schlucken der VHS-Kassette und dem Mördersound beim Zurückspulen selbiger. Du warst cool, VHS-Videorecorder! Und im Sinne deines Understatements bist du es über die Jahre hinweg noch mehr geworden.
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